Januar 2023 – wir sind in Kroatien. Ein Land auf der Balkanhalbinsel, das touristisch bestens erschlossen ist. Bekannt für seine traumhaften Küsten, felsige Buchten, kristallklares Wasser und natürlich Städte wie Split oder Dubrovnik entlang der Adria. Wir freuen uns auf entspannte Tage und gute Infrastruktur im beliebten Urlaubsland. Nur eben mit weniger Touristen und natürlich Sonnenstrahlen als während der Hochsaison im Sommer. Soweit die Idee.
Die Realität: unmittelbar nach dem Grenzübertritt werden wir von der Polizei kontrolliert. Die erste Kontrolle auf offener Straße unserer Reise! Abgesehen von den obligatorischen Kontrollen an den Grenzübergängen, die wir bis jetzt passiert haben. Die Beamten sind ernst und nehmen es sehr genau. Fahrzeugpapiere, Pässe und ein Blick in unser Fahrzeug bitte. Mit einem Schmunzeln öffnen wir den Polizisten unsere Hecktüre, hinter der sich dank der nasskalten vorherigen Nacht, unsere klammen Daunenschlafsäcke und diverse feuchte Klamotten türmen. Unsere nassen Trekking-Handtücher, die dringend mal wieder eine Wäsche benötigen, baumeln von der Decke und sorgen für ein „authentisches“ Overlander-Aroma. Die Inspektion unseres Innenraums ist daraufhin überraschend schnell beendet.
Kurz darauf lernen wir „Bora“ und „Montana“ kennen. Und zwar intensiv. Leider handelt es sich bei den beiden nicht um nette kroatische Mitmenschen, sondern tückische Wetterphänomene. Fallwinde mit lokalen Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h. Es ist unglaublich stürmisch, eiskalt und einfach nur ungemütlich. Als dicke Äste, Tische und Stühle durch die Luft fliegen, fragen wir uns ernsthaft, wie viel Wind es wohl braucht, bis ein drei Tonnen schweres Fahrzeug umkippen kann. Theoretisch sehr viel Wind sind wir uns einig, praktisch haben wir dennoch beide ein richtig mulmiges Gefühl, während wir im Fahrzeug tagelang hin- und hergeschaukelt werden.
Das war wohl nichts mit entspanntem Urlaubsfeeling. Einige Zeit später entdecken wir eine Leckage in unserem Wasserkreislauf. Da wir unser Frisch- und Trinkwasser selber aufbereiten, ist es eines der wichtigsten Güter an Bord. Die passenden Ersatzteile müssen wir uns aus Deutschland liefern lassen. Zu unserem Glück ist Kroatien seit Jahresbeginn Teil des Schengen Raums, so dass unsere Lieferung nicht mehr durch den Zoll muss. In solchen Situationen sind wir dankbar, dass wir liebe Freunde in Deutschland haben, die unsere Reise nicht nur gespannt verfolgen, sondern uns uneingeschränkt unter die Arme greifen. Innerhalb von 10 Tagen sind so zwei neue Wasserhähne und eine Tauchpumpe bei uns in Kroatien. (1.000 Dank nochmal für Eure Hilfe, Sonja und Michi!!).
Auf unserem Weg entlang der Adria Küste nach Süden zeigt sich Kroatien dann doch noch von einer besseren Seite. Nach zwei Wochen Dauer-Sturm, gefesselt auf den drei Quadratmetern Innenraum unseres Fahrzeugs haben wir Hummeln im Hintern. Was für eine Freude, dass wir Split bei Sonnenschein genießen und uns zu Fuß an der frischen Luft bewegen können.
Über Montenegro und Albanien geht es für uns weiter Richtung Süden. Beide Länder haben wir im letzten Jahr bereits intensiv bereist. Wie in Kroatien ist es auch hier zu dieser Jahreszeit noch kalt und ungemütlich. Winter eben. Wir planen daher dieses Mal nur Transitstrecken ein. In beiden Ländern haben wir die Möglichkeit bei Menschen, die wir im vergangenen Jahr kennengelernt haben, zu übernachten. In Bogdans Garten in Montenegro haben wir nicht nur eine ruhige Nacht, sondern dank selbstgebranntem Raki auch süße Träume. Für die Weiterreise gibt es noch eine Vitamin C Bombe: einen großen Beutel Kiwis und Orangen. In Albanien öffnet Ariana ihr eigentlich noch geschlossenes Camp für uns. Wir bekommen eine heiße Dusche und dürfen unsere Wäsche kostenfrei waschen. Da wir nur eine Nacht bleiben und die Maschine erst spät am Abend starten, gefriert unsere Wäsche über Nacht bei den eisigen Außentemperaturen. Am nächsten Morgen nehmen wir sie dank der trockenen Luft gefriergetrocknet wieder von der Leine. Zur Abfahrt gibt es auch von Ariana noch etwas Vitamin C für uns: zu den Kiwis und Orangen aus Montenegro gesellen sich nun Mandarinen und weitere Orangen aus Albanien. Verglichen mit den Mengen, die wir normalerweise einkaufen, reichen unsere Obstvorräte für die nächsten 2 Wochen!
So rollen wir, der Obst-Express, weiter Richtung Süden und über die Grenze nach Griechenland: Kalimera! Ein Land, das wir beide noch nicht bereist haben und auf das wir uns sehr freuen. Unser einziger Berührungspunkt bis dato: Greta wird regelmäßig mit einer sehr ähnlich klingenden griechischen Insel verwechselt …
In einer kleinen malerischen Bucht auf dem griechischen Festland bekommen wir gleich an einem der ersten Tage mal wieder Obst geschenkt. Wie sollte es auch anders sein. „Vitamin C!“ strahlt uns eine ältere Griechin an und legt uns einen riesigen Berg Zitronen ins Auto. Die Zitronen duften herrlich und dürfen selbstverständlich ebenfalls bei uns einziehen. Sie verstehen sich gleich hervorragend mit unserem Bestand an Kiwis, Mandarinen und Orangen, der langsamer als geplant schrumpft. Falls Ihr Euch fragt, was wir mit so vielen Zitronen machen? Griechischen Salat! Sehr viel griechischen Salat! Tomate, Gurke, verschiedene Oliven, frischen Fetakäse, dazu Olivenöl und Zitronensaft. Einfach – und einfach gut.
Egal, in welcher Taverne wir einkehren, das griechische Essen ist köstlich! An den noch so abgelegenen Orten finden wir eine Taverne. Griechische Tavernen sind nicht einfach nur Restaurants, sondern vor allem auch Treffpunkt der Einheimischen. Hier lauschen wir den lustigsten Gesprächen, bekommen die besten Tipps für unsere Weiterreise und haben die schönsten Begegnungen.
Auf unserer Reise durch das Land entdecken wir viele sehenswerte Orte. Einer davon, liegt auf dem griechischen Festland: die Meteora Klöster. 24 Klöster ragen auf mächtigen Sandstein-Felsen bis zu einer Höhe von 500 Metern empor. In einer Hand voll dieser schwebenden Klöster leben noch heute Nonnen und Mönche.
Die meiste Zeit in Griechenland verbringen wir auf der Halbinsel Peloponnes. In der Nebensaison sind wir hier fast alleine und können die Abgeschiedenheit der Natur genießen. Unser Fahrzeug ist wie gemacht für die kurvigen Bergstraßen, die staubigen Schotterpisten oder auch mal den Sand.
Während unserer Zeit in Griechenland steuern wir nur ein einziges Mal einen Campingplatz an – um unsere Wäsche zu waschen. Auf parzellierten Plätzen fühlen wir uns fehl am Platz. Sowohl unser Fahrzeug wie auch wir sind für die Natur gemacht. Frei Stehen bzw. wild Campen ist in Griechenland offiziell nicht erlaubt. Inoffiziell sind wir ausnahmslos unglaublich herzlichen und gastfreundlichen Menschen begegnet, die neugierig unser Fahrzeug betrachtet haben.
Die schönsten Momente erleben wir an Orten weit weg von der Zivilisation. Als wir am südlichsten Punkt der Balkanhalbinsel, am Kap Tenaro ankommen, ist einer dieser Momente. Das sagenumwobene Tor zur Unterwelt, dass sich ebenfalls hier befindet, betreten wir nicht. Wir belassen es bei einer einfachen Wanderung zu einem Leuchtturm.
Was wäre Griechenland ohne seine Geschichte, seine Mythen und – um es mit den Worten von Jans Papa zu sagen – seine „alten Steine“? Natürlich sehen wir während unserer Reise eine ganze Menge davon. Griechenland und insbesondere die Peloponnes sind voll von geschichtsträchtigen Orten, an denen man Tage verbringen könnte. Besonders geschmeichelt fühlen wir uns am Ticket-Office in Olympia. Die Dame am Schalter fragt uns, woher wir kommen. Aus Deutschland! Wunderbar. EU-Bürger unter 25 Jahren haben nämlich freien Eintritt. Ein wenig enttäuscht und ehrlich überrascht ist sie dann schon, als wir sagen, wie alt wir sind. Für die nächste Ermäßigung müssen wir leider bis zum Rentenalter warten, erklärt sie uns und verkauft uns zwei Tickets zum regulären Preis von in Summe 12 Euro.
Uns zu guter Letzt ist da noch Athen. Die Hauptstadt Griechenlands. Unser Fahrzeug parken wir außerhalb der Stadtgrenze in der Nähe des Flughafens auf einem bewachten Parkplatz. Wir ziehen für ein paar Tage in ein zentrales AirBnB mitten in der Stadt und genießen ein großes Badezimmer, in dem wir barfuß laufen können und ein 1,80 Meter breites Bett. Welch Wohltat nach den vielen Nächten, die wir im Inneren unserem Fahrzeug auf 1,20 Meter verbracht haben! Unser Dachzelt, in dem wir deutlich komfortabler schlafen und mehr Platz haben, konnten wir in Griechenland leider erst einmal öffnen.
Athen erleben wir anders, als der Standard-Besucher der griechischen Hauptstadt. Denn wir haben die Möglichkeit zwei Tage mit lokalen Partnerorganisationen von terre des hommes vor Ort zu verbringen. Wir begleiten Streetworker in der open drug scene von Athen und tauschen uns mit Anwälten, die Geflüchtete vertreten und gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen, aus. Zwei Besuche, die uns sehr berührt haben und Ihren eigenen Beitrag wert sind. Diesen findet Ihr in Kürze auf unserem Blog.
In den kommenden Tagen werden wir die griechisch-türkische Grenze überqueren und die Balkan-Halbinsel verlassen: Bye bye Balkan! Was für eine Reise hast Du uns geboten! Jetzt werfen große Ereignisse Ihre Schatten voraus. Wir möchten Gretas Geburtstag in Istanbul feiern. Ginge es nach der Ticket-Verkäuferin in Olympia, wäre es natürlich der 25ste :)
Greta // 03. März 2023 // kurz vor der griechisch-türkischen Grenze
Gute Geschichten, die Fotos von so feiner Qualität, vielen Dank und euch Glück weiterhin.
Die "Lupinen" heißen wahrscheinlich "Ästiger Affodil" ( Asphodelus ramosus)- habe ich natürlich auch suchen müssen. ( App, zu empfehlen: FloraIncognita). Grüße auch von T. Clemens
Toller Beitrag. Tolle Bilder, einmal mehr. Macht Laune mal wieder in ein Land mit vielen alten Steinen zu reisen. Unser Neid wird euch weiter begleiten. Ihr verdient ihn redlich.