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Eine Magnolienblüte lang in Norditalien



Über einen Monat sind wir nun schon in Italien – eine Magnolienblüte lang, um genau zu sein. Als wir vor ein paar Wochen die Schweiz-Italienische Grenze passiert haben, war alles um uns herum noch trist und grau. Mittlerweile ist der Frühling eingekehrt. Die Magnolienbäume, die wir anfangs kaum wahrgenommen haben, stehen in voller Blüte. Um uns herum summen Hummeln und Bienen und es ist bunt geworden. Das ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch gut so. Wir sind zwar für alle Wetterlagen ausgerüstet, aber auf unsere dicken Daunenjacken, Handschuhe und Mützen verzichten wir jetzt gerne.



Mit dem Wetter ändert sich leider auch die weltpolitische Lage. Ende Februar bricht der Krieg in der Ukraine aus. Wir haben vor unserer Abreise viele potenzielle Stolpersteine durchdacht. Aber dass ein Krieg mitten in Europa das Erste ist, auf das wir routen-technisch reagieren müssen, das hätten wir nicht gedacht. Damit verschwinden sowohl die Ukraine wie auch Russland vorerst von unserer möglichen Route gen Osten. Beide Länder hatte wir geplant zu bereisen - doch was sind schon die Reisepläne von Jan & Greta im Vergleich zu dem unvorstellbaren Ausmaß an Leid und Gewalt im Osten Europas? Rein gar nichts!



Wie überall in Europa explodieren auch in Italien die Benzinpreise. Sie pendeln sich nach einigen Tagen auf 2,50 Euro/Liter Super ein. Ja – Ihr habt richtig gelesen. 2,50 Euro. Das reißt erstmal ein Loch in unsere Benzinkasse und unsere Finanzplanung. Wir beschließen, unseren Puch so wenig wie möglich zu bewegen und erledigen alles, was möglich ist, zu Fuß. Unter all unsere Betroffenheit und unsere Sorgen mischt sich nach einigen Tagen die Erkenntnis, dass wir nicht nur das große Glück, sondern vor allem auch die Freiheit haben, flexibel auf die Ereignisse im Osten Europas zu reagieren. Wir sitzen wohl vorerst an einem ganz wunderbaren Fleckchen Erde fest: dem Lago Maggiore.



Wir wandern in den Bergen rund um den See auf traumhaft abgelegenen Routen – und davon gibt es eine ganze Menge. Hinzu kommt, dass so früh im Jahr kaum Touristen in Norditalien unterwegs sind. Wir sind alleine – egal, wo wir hinkommen. Herrlich!



Unsere knurrenden Mägen füllen wir Abends mit Pizza, Pasta und Co. Und um die Blasen an den Füßen und den Muskelkater zu vergessen, hilft auch mal einen Aperol Spritz oder ein Prosecco als Belohnung, wenn wir wieder im Tal angekommen sind. Gutes und ehrliches Essen zu finden, ist keine Schwierigkeit. Die Italiener wissen einfach, wie das mit ihrem Dolce Vita geht.


A propos Dolci: Auch das können Sie, die Italiener. Zum obligatorischen Espresso gibt es also auch immer reichlich Zucker in Form von Amaretti, Cantuccini oder anderen Leckereien. Wir genießen es, dass wir uns problemlos von frischen und lokalen Produkten ernähren können. Unseren Honig und Bergkäse entdecken wir auf einer Alpe während einer Bergtour. Tomaten (die tatsächlich nach Tomaten schmecken!) gibt es in unzähligen Farben und Formen. Genauso wie Zitronen, Polenta oder frische Pasta. Und nicht zu vergessen Trüffel und all die leckeren Weine, die im Piemont angebaut werden.



Eine schöne Tradition lernen wir am 8. März, dem Weltfrauentag kennen. An diesem Tag bekommt jede Frau einen Mimosen-Zweig oder gar ein kleines Mimosen-Stäußchen geschenkt. Die Blumenläden sind voller Mimosen, aber auch an kleinen Ständen am Straßenrand werden die gelben Zweige verkauft. Es leuchtet gelb, egal, wo wir hinschauen. Die Mimose kündigt mit ihren prallen gelben Blütenbällchen die wärmere Jahreszeit an. Sie gilt als Botin der Sonne und steht für Vitalität und Stärke wie wir lernen. Bis jetzt haben wir das Wort „Mimose“ eher mit sehr empfindlichen und übersensiblen Personen verknüpft. Eine schöne neue Definition!



Selbst die Dolci werden an diesem Tag extra angepasst. Natürlich müssen wir eine „torta mimosa“ probieren (… die sich als grün gelbes Tiramisu entpuppte, aber trotzdem seeehr lecker war). So himmlisch, wie die italienischen Dolci sind, ist leider das Italienische Brot nicht. Nach spätestens einem Tag ist es – charmant gesagt „schön knusprig“ oder ehrlich einfach nur „steinhart“. Außerdem ist es so luftig, dass wir beide - trotz einer extra dicken Schicht Honig oder Marmelade - bereits eine Stunde nach dem Frühstück schon wieder Hunger haben. Also backen wir unser Brot selbst. Gründlich haben wir überlegt, ob wir uns den Luxus einer kleinen Backmöglichkeit im Fahrzeug gönnen wollen. Inklusive Körnern, verschiedener Mehlsorten und Schüssel kosten das Brotbacken „on the road“ Gewicht und vor allem Platz. Und der ist in unserem Puff eben einfach endlich. Als das erste Körnerbrot von der Flamme kommt sind wir uns einig: es war die absolut richtige Entscheidung. Die kleine Bäckerei darf an Bord bleiben! Außer einem einmaligen Engpass an Mehl (ja – auch hier in Italien hamstert man …), hatten wir keine Probleme an die Zutaten für unsere Brote zu kommen.



Vom Lago Maggiore aus durchqueren wir die Piemont-Region Richtung Südosten und Toskana. Unser Plan ist es, den Puff einmal von Nord nach Süd durch Italien zu fahren und vor allem zu testen. Da wir die italienischen Mautstraßen vermeiden, kommen wir an vielen winzigen Ortschaften vorbei, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Sobald wir anhalten, dauert es nicht lange, bis der oder die erste neugierige Einheimische mit Hund (den hat hier wirklich jeder) bei uns am Fahrzeug steht. So lernen wir Vittorio (70) und seine Hündin Sandy kennen. Es dauert etwa 10 Minuten, bis Vittorio darauf besteht, dass wir ihn nach Hause begleiten. Als ehemaliger Sommelier möchte er es sich nicht nehmen lassen, uns seinen Weinkeller zu zeigen. Also sitzen wir schneller als wir gucken können im Wintergarten von Vittorio und seiner reizenden Frau und verkosten Wein und Rum. Zwei Flaschen Wein bekommen wir noch mit auf den Weg. Ein Andenken an die Beiden – so sagen sie - damit wir an einem der nächsten Tage noch einmal an sie zurückdenken. Italienische Gastfreundschaft!



Ein paar Tage später bekommen wir Besuch – diesmal ohne Hund. Das ist verdächtig. Noch verdächtiger wird es, als wir erkennen, dass es sich bei dem Auto, das neben uns hält, um ein offizielles Kommunenfahrzeug handelt. Wir stehen „wild“ in einem kleinen Bergdörfchen. Geistig stellen wir uns schon mal darauf ein, dass wir die erste Rüge der Reise kassieren und uns einen anderen Stellplatz suchen müssen. Wir können gar nicht so schnell gucken, wie der Kommunenmitarbeiter seinen Kopf durch unsere Hintertüre in das Fahrzeug steckt und anfängt einen italienischen Redeschwall auf uns loszulassen. Doch zu unserer Überraschung mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Kommunenmitarbeiter ist Roberto, großer Fan von Expeditionsmobilen und einfach nur super interessiert an uns und unserem Puff. Roberto macht noch gefühlt 100 Erinnerungsfotos, folgt uns noch schnell auf Instagram und braust dann wieder mit seinem Kommunenfahrzeug davon.



Später am Tag erhalten wir (per Instagram, wir sind ja jetzt vernetzt) eine Nachricht: „Adesso vado avete due caffè pagati. Buon viaggio!“. Roberto hat in der ganz reizenden lokalen Espresso-Bar zwei Kaffee für uns im Voraus bezahlt. Wir müssen sie vor unserer Weiterreise einfach nur noch genießen. Wir sind ganz baff und schwer beeindruckt von der Gastfreundschaft, die wir erneut hier in Italien erfahren.



Das macht Lust auf mehr! So werden wir uns also weiter ganz gemütlich mit unserem Puff durch die Weinberge des Piemonts und der Toskana Richtung Süden schlängeln.


Greta // 02.04.22 // in einem einsamen Weinberg im Piemont


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