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  • AutorenbildGreta

Crazy Kathmandu


“Wir sitzen mitten in Kathmandu unter einem großen Sonnenschirm und geniessen eine eisgekühlte Limonade. Fast befremdlich wirkt der Luxus des wunderschönen Gartens unseres westlichen Hotels auf uns”. So beginnt unser vorheriger Blog-Eintrag - und er passt auch heute. Same same - but different. Jan geniesst neben mir heute keine Limonade, sondern ein eisgekühltes “Everest”. Ich ein Mango-Lassi. Wie lange sind wir eigentlich schon hier? Es kommt uns vor wie eine halbe Ewigkeit. In diesem Garten verschwinden Raum und Zeit. Eine kleine Oase im verrückten Kathmandu.



Kathmandu ist eine Millionenstadt. Wie viele Millionen es genau sind, konnten wir hier nicht herausfinden. Von einer bis sechs Millionen haben wir alles gehört. Fest steht - die Stadt ist riesig, staubig und rund um die Uhr laut. Den Führerschein “kauft” man sich hier. Genauso fühlt sich der Straßenverkehr auch an. Ein übles Chaos, das sich auf wundersame weise selbst zu regeln scheint. Ohne für uns erkenntliche Regeln teilen sich hier Fussgänger, Motorräder, Autos und Tiere die Strasse - aber irgendwie passen doch alle gegenseitig aufeinander auf. Uns stockt schon der Atem nur beim Mitfahren. Echt verrückt!



Auch religiös ist Kathmandu eine bunte Mischung. Hinduismus und Buddhismus sind hier eng und friedlich verzahnt. Wir besuchen eine der ältesten buddhistischen Tempelanlagen weltweit: Die Swayambhunath. Die buddhistische weisse Stupa mit den aufgemalten Augen ist direkt von zwei hinduistischen Türmen flankiert. In der Mittagshitze Kathmandus (wir fühlen 40 Grad - unser Guide behauptet 25 ... die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte) verweilen wir im Schatten des Tempels. Die bunten Gebetsfahnen wehen im Wind und haben eine unglaublich beruhigende Wirkung. Stundenlang könnten wir zuschauen.



Ganz anders fühlen wir uns in einer der bedeutendsten hinduistischen Tempelanlagen: der Pashupatinath. Den Tempel selbst dürfen wir - da wir keine Hindus sind - nur von außen anschauen. Von hier aus sammeln wir jedoch bleibende Eindrücke. Direkt vor dem Tempel werden nämlich Leichen verbrannt. Auf qualmenden Scheiterhaufen. Und das sind an diesem Tag einige. Wir stehen eine Weile im Rauch der Scheiterhaufen und lauschen ganz gebannt unserem Guide. Er ist Hindu und kennt sich in dieser Tempelanlagen besonders gut aus. Wir haben - nicht nur dank den Temperaturen - schon bald das Bedürfnis uns zu duschen. Mit Leichen geht man in Deutschland einfach anders um ... Passenderweise werde ich in dieser Szenerie auch noch von einer Taube angeschissen. Heilige Scheisse - direkt auf meiner Hose. Übrigens im wahrsten Sinne des Wortes. Denn - Tauben sind hier heilige Tiere und daher auch in riesigen Mengen vorhanden. Während ich meine Hose mit einem Taschentuch notdürftig reinige, grinst unser Guide nur und versichert mir: „You are so lucky! A dove shit on you! That‘s lot of luck for you!“. Aha ...



Die Dusche muss noch eine Weile warten, denn wir fahren weiter zum Durbar-Platz. Hier harren wir gebannt einige Minuten vor einem prunkvoll verzierten Häuschen aus. Am Fenster des ersten Stocks zeigt sich dann ganz kurz ein 5-jähriges Mädchen. Die so genannte Kumari. Eine lebende Göttin wie wir lernen. Und das ist kein Scherz. Unser Guide ist ganz aus dem Häuschen. Fotos oder Videos darf man selbstverständlich von einer lebenden Göttin nicht machen. Das respektieren wir - und sehen im Übrigen eher ein sehr trauriges junges Kind, das alleine mit Priestern in ihrem Kumari Haus leben muss. Die Religion hier verstehen und kennen wir einfach zu wenig. Natürlich verhalten wir uns aber respektvoll während des bizarren Auftritts.



Nachdenklich schlendern über den Durbar-Platz und durch Teile des königlichen Palastes. Prunkvoll verziert mit feinsten Schnitzereien sind alle Gebäude hier ... aber auch von Bauzäunen eingezäunt und von dicken Metallstützen gesichert. Die Nachwehen des schweren Erdbebens, dass Nepal 2015 heimgesucht hat, sind noch deutlich zu sehen. Ob alles wieder so hergestellt werden kann, wie es ursprünglich aussah? Wir glauben nein - auch wenn auf den Baustellen groß Logos aus Japan oder China prangen, die beim Wiederaufbau helfen. Nepal ist leider immer noch ein sehr korruptes Land. Wir hören von unserem Guide, dass ein Großteil der ausländischen Spenden in den Taschen der Politiker verschwunden ist. Was sollen wir dazu sagen? Auch hier merken wir, kennen wir uns zu wenig aus, um uns ein verlässliches Urteil bilden zu können.



Der Tag stimmt uns in jedem Fall nachdenklich. Dabei hat er so aufregend begonnen. Wir sind früh aufgestanden, um uns aus der Luft anzuschauen, was wir die letzten Wochen zu Fuß erwandert haben. Die Khumbu Region von oben. Eine winzige Maschine der nepalesischen Airline mit dem vertrauenswürdigen Namen „Buddha Air“ fliegt uns durch die dicken Wolken über dem Flughafen von Kathmandu. Darüber - nur Sonnenschein und ein gigantisches Bergpanorama.



Da stehen die vier Achttausender in dieser Region: Lothse, Cho Oyu, Makalu und natürlich Everst - und sonnen sich gemütlich über den Wolken. Eine Stunde fliegen wir entlang des „Himalayan Mountain Ranges“. Wir dürfen sogar in‘s Cockpit. Von dort aus ist die Aussicht nicht nur besonders aufregend, sondern auch besonders schön. Was für ein Arbeitsplatz! Ich frage den Piloten, wie oft er dieses unbeschreibliches Panorama schon gesehen hat. Er antwortet trocken: „Oh - I have that every morning around 8 o‘clock“.



Wir beschließen, ein würdiger Ausklang für diesen Tag ist ein Abendessen mit unserem Mountain Guide Bikram. Eine Pizza um genauer zu sein. Der Gedanke an eine knusprige italienische Pizza hat uns während unserer Trekking Tour gemeinsam den ein oder anderen Pass hochgetragen. Also - auf zu „Fire and Ice“ in Kathmandu. Klingt nicht gerade italienisch, schmeckt aber erstaunlich danach. Finden übrigens auch Bikram und seine Familie, die wir an diesem Abend kennenlernen dürfen.



Als wir zum Abschied grüne Gebetsfahnen um unsere Hälse gehangen bekommen, wissen wir aber doch: wir sind in Nepal und nicht in Italien. Bikram braust mit Frau und Sohn auf einem Motorrad in die Nacht. Einen Helm trägt selbstverständlich nur er...



What a day! Wir genehmigen uns an diesem Abend noch ein „Everest“ unter einem der grossen Sonnenschirme im Garten unseres Hotels. Hier steht die Zeit ja bekanntlich still und wir haben Ruhe genug, diesen Tag Revue passieren zu lassen.

Und jetzt freuen wir uns auf Singapur!

Greta // in Kathmandu, unter einem großen Sonnenschirm // 01. Mai 2019

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