Dass Bolivien wunderschön ist, hat uns jeder versichert, der bereits dort war. Dass uns das Land aber so nachhaltig beeindruckt, hätten wir nicht gedacht. Bolivien mag zwar eines der ärmsten Länder der Welt sein, aber es hat unberührte und wirklich sagenhafte Landschaften, die es locker mit den großen Orten der Welt aufnehmen können. Und das Sahnehäubchen auf der Torte: in Bolivien sind wir fast überall alleine.
In den drei Monaten, in denen wir jetzt unterwegs sind, haben wir viele tolle Orte gesehen. Wenn es ein Ort aber schafft, uns im wahrsten Sinne des Wortes den Atem zu rauben, dann ist er besonders. Die Salzwüste im Südwesten Boliviens - die Salar d’Uyuni ist so ein Ort. 110 km breit - 140km lang - schneeweißes Salz soweit das Auge reicht. Bähm!
Ausgestattet mit weissen Gummistiefeln starten wir mit unserem Jeep und Fahrer in die Wüste. In der Salzwüste hat es geregnet und an vielen Stellen stehen bis zu 10cm Wasser. Die Salzpfanne wird damit ein unvorstellbar großer Spiegel. Was das für ein Naturphänomen ist, wird uns erst später am Tag bewusst.
Am Vormittag haben wir mit unserem Fahrer viel Spaß in der Wüste. Die endlose weiße Weite lädt einfach ein, mit der optischen Täuschung zu spielen. Jan wird zum Superman - ich zum Zwerg.
Die magischen Kräfte wechseln aber bald die Seiten. Ein Tritt und Jan fliegt davon.
Gebucht haben wir übrigens eine Tagestour mit dem Jeep in der Salzwüste. Wir staunen nicht schlecht, als unser Fahrer sagt: Ok - wir sind da. Mittagessen!
Die Flasche Rotwein, die es für uns zum Mittagessen gibt, schaffen wir natürlich nicht zu Zweit. Sie begleitet uns noch den ganzen Tag.
Der Rotwein wärmt uns eine ganze Weile von innen. Die Zeit bis zum Sonnenuntergang ist dann aber doch lang. Wir warten geduldig auf das uns versprochene Highlight des Tages. Die Kamera ist in Position - der Fotograf bereit.
Und ja, es gibt noch mehr Alkohol :) Kaum haben wir den Rotwein bezwungen, kommt der Schaumwein ... zu unserer Verteidigung kann ich sagen: wir mussten wirklich eine ganze Weile in der Kälte warten, bis die Sonne dann tatsächlich am Horizont verschwunden ist.
Wir sind durchgefroren, aber als die Sonne in der Salzwüste untergeht, staunen wir nicht schlecht. Einer der beeindruckendsten Sonnenuntergänge, die wir jemals gesehen haben!
Am nächsten Tag treffen wir unseren Guide, der uns bereits eine Woche in der Cordillera Real begleitet hat, wieder. Javier fährt mit uns im Jeep eine Woche lang durch das Altiplano tief in den Süden des Landes. Wir haben einen erfahrenen Fahrer und einen guten Jeep eingekauft. Was das heißt, lernen wir gleich nach einer Stunde Fahrt kennen. Bei Tempo 90 überholt uns auf der Schotterpiste plötzlich unser linkes Hinterrad. Der Fahrer stellt seine Fahrkünste unter Beweis und fängt den Wagen professionell ab. Rad und Achse - Schrott.
Ein neuer - natürlich “guter” Jeep - gabelt uns nach 2 Stunden Wartezeit in der prallen Mittagssonne in der Wüste auf. Was “gut” bedeutet, lernen wir erneut recht bald. In regelmäßigen Abständen hält unser Fahrer an und kühlt den Motor, der konstant kocht, mit Trinkwasser. Auch in dieser Hinsicht beweist er ein gutes Händchen und kann zurecht als “erfahren” bezeichnet werden. Das ist Bolivien!
Wir freuen uns richtig auf den Tag, an dem der Jeep Pause hat und wir mit Javier den Uturuncu - unseren ersten 6000er besteigen. Jan steigt bis auf den Südgipfel in eine Höhe von 6023m auf. Ich warte am Nordgipfel - dank Höhenangst und einem extrem kräftezehrenden Aufstieg durch steile Eisfelder - ca. 50 Höhenmeter tiefer am Nordgipfel.
Das Panorama ist von beiden Gipfeln sensationell - aber aus über 6000m Höhe natürlich noch ein i-Tüpfelchen - und absolut verdient - schöner.
Zurück am Nordgipfel erklären mir Jan und Javier, dass ich die letzten 50 Höhenmeter easy geschafft hätte. Wenn Ihr auf dem nächsten Bild genau hinschaut, der kleine blaue Punkt in der Bildmitte - dass bin ich!
In dieser Höhe ist Bergsteigen aber kein Spazierengehen mehr. Beim ebenfalls kräfteraubenden Abstieg bereue ich meine Entscheidung, nicht komplett aufgestiegen zu sein, keine Minute. Sicher kommen wir alle wieder im Tal an.
Weiter geht es mit dem “guten” Jeep durch die Wüste. Mit jedem km, den wir tiefer in die Einsamkeit fahren, wird uns bewusst, was für ein Glück wir hatten. Nicht nur, dass unser Fahrer seine Fahrkünste im richtigen Moment unter Beweis gestellt hat, sondern auch, dass das Fahrzeug bereits in der ersten Stunde den Geist aufgegeben hat. Hier in der Wüste gibt es nichts mehr. Kein Wasser - kein Essen - keine Tankstellen. Alles führen wir daher im Jeep mit.
Die Unterkünfte, in denen wir schlafen, werden Tag für Tag einfacher. Wir machen große Abstriche, was Komfort und Hygiene angeht, verbringen aber trotzdem urgemütliche Abende mit Javier und unserem Fahrer in der Einsamkeit. Wir haben vergessen, dass wir uns immer noch auf über 4000m befinden.
Der Verzicht auf viele Dinge ermöglicht es uns, stunden- und kilometerlang durch atemberaubende Landschaft zu fahren. Das Altiplano ist ein landschaftliches Paradies inmitten der Andengipfel. Unwirklich bunte Lagunen tauchen am Horizont auf.
Hier wohnen keine Menschen, sondern Flamingos. In unzähligen Mengen. Was für eine Geräuschkulisse! Die Flamingos freuen sich offensichtlich sehr über unseren Besuch - sie haben sich zu mindest viel zu erzählen und piepen ganz aufgeregt.
Ein paar Kilometer weiter denken wir, wir sind in Neuseeland. Brodelnde Schlammlöcher und zischende Geysire.
Jan düst von Loch zu Loch und versucht den Dampf aufzuhalten.
Auch in den USA könnten wir sein. Bolivien hat definitiv etwas von den vielen Nationalparks dort. Nur eben, kaum Touristen. Lucky us! Im Jeep bin ich übrigens nicht ein einziges Mal eingeschlafen. Und das soll etwas heißen! Selbst während der Safari in Tansania sind mir regelmäßig die Augen zugefallen. Peinlich! Hier in Bolivien nicht. Die Landschaft ist offensichtlich wie ein super spannender Kinofilm. Findet übrigens auch Jan, der natürlich immer wach war.
Vor lauter Schwärmerei vergessen wir, dass Bolivien eben doch Bolivien ist - ein Land mit anderen Regeln, anderen Umgangsformen und vor allem einer anderen Verlässlichkeit. Unsere Reise geht sehr unschön zu Ende. Ich habe Jan selten so aufgebracht erlebt! Am letzten Tag in Bolivien möchte Jan den Lincancabur besteigen. Ein knapp 6000m hohes Wahrzeichen hier in der Region. 1200 Höhenmeter Aufstieg bedeuten Aufstehen um Mitternacht für Jan und Javier. Ich drehe mich um Mitternacht nochmal gemütlich um - versuche es zu mindest. Unsere Unterkunft, in die wir kurzerhand gewechselt sind, damit ich eine „angenehmere“ Zeit habe, bis die Jungs zurück sind. „Angenehm“ beschränkt sich auf die Optik des Zimmers. Auf den Schimmel an den Wänden beispielsweise hätte ich verzichten können. Nachts um 3 klopft es plötzlich an meiner Türe. Träume ich? Nein - ich staune nicht schlecht als ich Jan sehe. Richtig entnervt teilt er mir mit: Die Bergbesteigung ging erst gar nicht los. Der lokale Guide, der verpflichtend für die Besteigung vorgeschrieben ist, war nicht am Treffpunkt. Später finden wir heraus: wir haben im falschen Hostal übernachtet. Dort, wo wir ursprünglich reserviert hatten, kooperiert man mit den lokalen Guides - für unsere Unterkunft hat man sich nicht verantwortlich gefühlt. Ihr schlaft nicht bei uns? Warum sollen wir dann den Guide organisieren? „Ja ... so ist das hier manchmal in Bolivien“ erklärt uns Javier und lächelt uns an. Den Berg kann Jan deshalb nicht nochmal besteigen. Ach ja - und als wir unser Geld für die nicht erbrachte Leistung zurück verlangen, guckt man uns ganz verdutzt an.
Passenderweise reisen wir am nächsten Tag aus Bolivien aus. Unser Jeep fährt uns zu einer Hütte mitten im Nichts, in der unsere Pässe gestempelt werden. Ein paar Meter weiter in der neutralen Zone warten wir im Jeep auf ein Fahrzeug aus Chile, das uns abholen soll. Der bolivianische Jeep darf nicht über die Grenze. Diese hat übrigens nur ein paar Stunden am Tag geöffnet. Als 60 Minuten vor Grenz-Schließung immer noch kein Fahrzeug in Sicht ist, machen wir uns ernsthaft Gedanken. Kein Handynetz, kein Internet - noch nicht mal der Grenzbeamte hat ein Satellitentelefon. Irgendwann taucht dann doch ein Fahrzeug am Horizont auf. Unser neuer Jeep! Willkommen in Chile.
In San Pedro de Atacama sind wir zurück in der Zivilisation. Was für ein Standard. Eigenes WC, saubere Betten und eine Dusche mit Brauseschlauch! Herrlich. Und das mitten in der Atacamawüste. Zurück in Chile zu sein, bedeutet nicht nur mehr Komfort, sondern auch wieder deutlich mehr Touristen. Die Atacamawüste ist nun mal weltweit bekannt. Für die Geysire in Tatio stehen wir morgens um 4 Uhr auf. Im Morgengrauen sind sie am schönsten. Für dieses Foto haben wir bei minus 18 Grad gefroren!
Dafür schwitzen wir am Nachmittag gut im berühmten Mondtal. Wir sind eben in der Wüste. Hier sieht es angeblich aus wie auf dem Mond.
Ok - manchmal. Die Sanddüne erinnert uns eher an die Sahara.
Nachts gönnen wir uns noch eine „star gazing tour“. Ein absolutes Muss. In der Atacamawüste in Chile stehen nicht umsonst die weltweit stärksten Teleskope. Was für ein Sternenhimmel! Auf einem abgelegenen chilenischen Acker erklärt uns ein lokaler Hobby-Astronom das Funkeln am Himmel. Durch mobile Teleskope, die kurzerhand aus dem Auto geladen werden, sehen wir plötzlich Sterne, wo das bloße Auge nur Schwarz sieht. Unbeschreiblich und unvergesslich der Blick in unser Universum und sogar in weit entfernte Galaxien!
Für uns geht es nun weiter nach Nepal. Süd-Amerika ist zwar noch so groß und wir ziehen nur schweren Herzens weiter. Aber - Trekking im Himalaya ist nur in der Vor- oder Nachmonsunzeit möglich. Das heißt für uns: jetzt im April. Da Nepal weit weg ist, lassen wir uns Zeit für die Anreise. Wir fliegen heute von der Atacamawüste aus nach Santiago de Chile. Dort genießen wir nochmal für 24h Hauptstadt-Flair bevor es über die USA nach Japan geht. Bei lieben Freunden werden wir eine Woche lang in Tokio sein. Von Kirschblüte, Sushi und Ramen Suppe geht es dann - mit Sicherheit gut erholt - für uns Richtung Kathmandu.
Greta // im Flugzeug von Calama nach Santiago de Chile // 26. März 2019
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