Der Kaukasus ist ein riesiges Hochgebirge in Eurasien. Über 1.100 km erstreckt es sich durch die Länder Russland, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und die Türkei. Im Westen grenzt es an das Schwarze, im Osten an das Kaspische Meer. Während den letzten Wochen unserer Reise hat uns der berühmte Kaukasus immer wieder begleitet. Denn: wir haben die Türkei, Georgien und Armenien bereist!
Bei unserer Einreise von der Türkei nach Georgien haben wir es eilig. Wir möchten schnellstmöglich in die Hauptstadt Georgiens, nach Tiflis, um dort in der Mercedes-Benz Niederlassung Ersatzteile für unser Fahrzeug zu bestellen. Seit ein paar Wochen bereits haben wir in der Osttürkei die Augen nach vertrauenswürdigen Werkstätten offengehalten. Entweder scheiterte unser Vorhaben an der Prämisse „vertrauenswürdig“ oder an den zu langen Lieferzeiten der Ersatzteile. Telefonisch erfahren wir von Mercedes-Benz in Tiflis, dass wir voraussichtlich maximal einen Monat auf unsere Lieferung warten müssen. Zeitlich gesehen das beste Angebot, das wir bis dato bekommen haben. Also schnell auf nach Tiflis!
Nach einer unkomplizierten Ausreise aus der Türkei und einer ebenfalls gut organisierten Einreise nach Georgien merken wir: Das Wort „schnell“ hat hier im Land seine ganz eigene Bedeutung. Verwöhnt von den türkischen Straßen kommen wir in Georgien viel langsamer voran, als unsere Navigation voraussagt und es uns lieb ist. Die Straßen sind in desolatem Zustand, der Verkehr unterirdisch. Als Beifahrer habe ich zum ersten Mal auf unserer Reise Angst. Es gibt zwar Verkehrsregeln, an die hält sich aber schlicht und ergreifend niemand. Rote Ampeln werden überfahren, Stop-, Park- oder Überholverbotsschilder sind Dekorationen am Straßenrand. Geschwindigkeitsbegrenzungen sind Empfehlungen, die niemand befolgt. Hinter jeder Kuppe oder in jeder Kurve muss man damit rechnen, überholt zu werden, oder seine eigene Spur mit dem Gegenverkehr teilen zu müssen. Die Vorfahrtsregelung in georgischen Kreisverkehren haben wir bis heute nicht verstanden. Kühe, die selbstverständlich in ihrem ganz eigenen Tempo am Straßenverkehr teilnehmen, haben übrigens immer Vorfahrt. Und ja – es gibt sehr viele Kühe auf georgischen Straßen. Der Verkehr ist unglaublich intensiv und toppt alles, was wir bis jetzt auf unserer Reise erlebt haben.
Offensichtlich fallen wir mit unserem umsichtigen, vorausschauenden und deeskalierenden Fahrstil in Georgien auf. Regelmäßig werden wir angehupt oder angeblinkt. Die Krönung ist eine Begegnung mit der Polizei. Per Lautsprecher werden wir mitten in einer Stadt aufgefordert rechts ranzufahren. Jan muss allen Ernstes einen Alkoholtest machen! Das kommt davon, wenn man unauffällig kilometerlang einfach nur mit angemessener Geschwindigkeit geradeaus fährt, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.
Intensiv erleben wir auch das georgische Wetter. Laut Einheimischen ist die jährliche Regenzeit schon lange vorbei. Trotzdem erleben wir täglich heftige und stundenlange Gewitter, Sturmböen oder Regenfälle. Tritt eines der genannten Phänomene einmal nicht auf, ist es drückend schwül. Denn das nächste Gewitter braucht sich bereits irgendwo zusammen …
Immerhin empfängt uns Georgien an unserem ersten Abend ganz herzlich. Wir stranden in einem kleinen Bergdorf bei einem älteren georgischen Ehepaar, dass Wanderungen in einem nahegelegenen Nationalpark organisiert. Wir dürfen auf der Pferdekoppel der beiden übernachten. Da es – Überraschung – heftig gewittert, werden wir in’s Haus gebeten und erstmal mit einem deftigen Abendessen und ordentlich Schnaps versorgt. Der heißt hier „Tschatscha“ und ist im Regelfall ein Tresterbrand, der es in sich hat. Georgier lieben es auf Gott und die Welt anzustoßen und dabei Trinksprüche auszusprechen. An jenem ersten Abend in Georgien sprechen wir gemeinsam mit unseren Gastgebern diverse Toasts aus, bis die halbe Flasche Hochprozentiges vernichtet ist. Kopfweh hatten wir am nächsten Morgen nicht. Schnaps können die Georgier scheinbar.
Der Stadtverkehr in Tiflis am nächsten Tag hebt das Erlebnis „Straßenverkehr in Georgien“ auf ein neues Level. Was für ein Chaos. Für 10 km Strecke brauchen wir über 3 Stunden. Ohne Klimaanlage stecken wir im Smog der Hauptstadt fest. Immerhin können wir unsere Ersatzteilbestellung in der Niederlassung auslösen und gleich die ersten Teile mitnehmen. Auf einen Großteil der Bestellung müssen wir allerdings die angekündigten 4 Wochen warten. Die Teile liegen in Deutschland und müssen nach Georgien gesendet werden. Außerdem werden wir gebeten, unser Motoröl für unseren anstehenden Ölwechsel selbst mitzubringen. In der Mercedes Niederlassung erfahren wir, ist nur Öl der Güte 5W40 vorrätig. Das von uns benötigte 10W40 sollen wir einfach irgendwo anders kaufen und dann zum Ölwechsel mitbringen. Dinge zu Dienstleistern mitzubringen ist in Georgien Gang und Gebe. Auch zum Frisör zum Beispiel bringt man hier ganz selbstverständlich seine eigene Haarfarbe mit.
Tiflis erkunden wir zu Fuß. Per pedes fühlen wir uns deutlich sicherer als auf vier Rädern, die Luft in der Stadt bleibt allerdings staubig und schlecht.
Wie in jedem neuen Land unserer Reise freuen wir uns besonders darauf, Georgien kulinarisch zu entdecken. Die landestypische Küche ist deftig, die Portionen reichhaltig und in vielen Gerichten entdecken wir überraschenderweise Koriander. Den hätten wir hier nicht erwartet. Wir probieren gefüllte Teigtaschen (Khinkali), einen mit Käse überbackenen Pfannkuchen (Chatchapuri), gegrillte Auberginen mit Walnüssen, Granatapfelkernen, Petersilie und Knoblauch (Badrijani) oder georgisches Ratatouille (Ajapsandali) - natürlich mit Koriander. Dazu gibt es Brot (Puri) in Schiffchenform direkt aus dem Steinofen. Puri finden wir an jeder Straßenecke und können es meistens ganz frisch und noch warm einkaufen. Im Minutentakt kommen die Fladen aus dem Ofen.
Wusstet ihr, dass Georgien eines der ältesten Weinanbaugebiete der Welt ist? Einige Stimmen behaupten sogar, dass der Wein in Georgien erfunden wurde. Das Besondere an georgischen Wein ist die traditionelle Herstellung in einem Tontopf, dem Kvevri. Wir sind neugierig, wie das aussieht und besuchen ein Weingut, dass seinen Wein noch nach traditioneller Art herstellt. Auf dem kleinen Gut werden wir herzlich von der Winzerfamilie empfangen und nicht nur mit Wein, sondern auch georgischen Spezialitäten versorgt. Da wir natürlich Wein probieren, dürfen wir mit unserem Fahrzeug mitten auf dem Gut im Weinberg übernachten.
Die Familie besuchen wir während unserer Zeit in Georgien noch ein weiteres Mal. Wir sind eingeladen, den georgischen Independence Day mit ihnen zu verbringen. Zur Feier des Tages gibt es „Chasch“ – ein traditionelles Gericht aus dem Kaukasus, dessen Hauptbestandteil Kuhfüße sind! Unsere Gastgeber möchten uns und unsere Mägen allerdings nicht zu sehr auf die Probe stellen und servieren uns lediglich die 12 Stunden lang gekochte Brühe. Völlig ausreichend – der intensive Geschmack der Kuhfüße kommt auch so schon gut zur Geltung … Zum Abschied wandern noch schnell ein Glas hausgemachte Marmelade und getrocknete, in Sirup eingelegte Quitten (mhhh!) in unser Fahrzeug. Wir denken so noch beim ein oder anderen Frühstück an diese liebe Familie zurück.
Das georgische Wetter meint es nicht gut mit uns. Wir nutzen also die Chance und „flüchten“ in den Süden bzw. in das Nachbarland nach Armenien. Unsere „Flucht“ zieht sich in die Länge, denn wir müssen ja die georgisch-armenische Grenze passieren. Dafür brauchen wir rekordverdächtige 3 Stunden. Insbesondere die Einreise nach Armenien hat es in sich. Da wir mit unserem Fahrzeug einreisen, müssen wir eine Ökosteuer entrichten. Die wird, nach Durchsicht unserer Papiere an diversen Schaltern auf umgerechnet 25 Euro geschätzt. Gut. Weiter geht es zu einem Schalter, an welchem sämtliche Papiere von uns und unserem Fahrzeug erst fotokopiert, dann fein säuberlich getackert und im Anschluss im 2-Finger-Suchsystem komplett abgetippt werden. Gerade letzteres dauert eine ganze Weile. Die künstlichen extra langen Fingernägel der Grenzbeamtin erschweren den Prozess doch etwas. Wir warten geduldig bis auch die letzte Zeile erfasst wurde und stellen im Anschluss überrascht fest, dass wir offensichtlich gerade unser Fahrzeug für ein ganzes Jahr nach Armenien importiert haben. So lange wollten wir gar nicht bleiben. Egal. Kurz nach der Grenze kaufen wir noch die für Ausländer obligatorische KFZ-Versicherung und eine SIM Karte – ersteres übrigens ein richtiges Schnäppchen für ca. 30 Euro.
An der Grenze haben wir eine überraschend nette Begegnung. Wir werden von zwei Bikern wild winkend begrüßt: „Hey Greta und Jan! Wie cool ist das denn, dass wir uns hier treffen“. Daniel und Felix fahren mit ihren Motorrädern von Deutschland über Land bis nach Indien und folgen uns schon eine Weile auf Instagram. Was für ein Zufall, dass sich unsere Wege gerade an der Grenze kreuzen. Leider dürfen wir im Grenzbereich kein gemeinsames Erinnerungsfoto von uns machen.
Armenien empfängt uns an jenem Tag in der goldenen Nachmittagssonne. Wir fahren kurz hinter die Grenze in ein kleines Bergdorf und möchten eines der vielen Klöster des Landes besuchen. Die Dorfbewohner sind neugierig und grüßen uns herzlich. Nach einem kurzen Austausch mit Händen und Füßen laden sie uns ein, die Nacht vor dem Rathaus des Dorfes zu verbringen. Der Bürgermeister winkt uns freundlich aus dem 1. Stock zu. Warum sollten wir nicht hier uns Lager für die Nacht aufschlagen? Grenzübertritte sind für uns mit dem Fahrzeug immer unberechenbar und anstrengend. Wir freuen uns auf eine ruhige Nacht in einem verschlafenen Bergdörfchen. Das schläft übrigens erst, nachdem gefühlt jeder Bewohner einmal bei uns und unserem Fahrzeug vorbeigeschaut und freundlich gewinkt hat. Was für ein Empfang. Dazu noch ein Abendspaziergang durch die Klosteranlage. Armenien gibt sich alle Mühe! An diesem Abend schlafen wir mit unübersehbarem Sowjet-Charme ein.
Die Straßen in Armenien sind leider nicht viel besser als die in Georgien. Dafür aber der Fahrtstil der Einheimischen. Wir sind allerdings auch in Armenien weit weg von einem geregelten und sicheren Straßenverkehr. Immerhin sehen deutlich weniger vierbeinige Verkehrsteilnehmer und auch die Überholmanöver der Einheimischen Rennfahrer lassen sich in die Kategorie „moderat gefährlich“ einstufen. Vielleicht haben wir uns aber auch einfach nur an den intensiven Verkehr gewöhnt. Die harte Schule in Georgien hat uns mit Sicherheit nicht geschadet!
Jede Fahrt wird so zu einer Überraschung. Wir wissen nie, ob uns nicht doch kurz vor dem Tagesziel noch eine Überraschung wie eine Straßensperrung, tiefe Schlaglöcher oder eine Schotterpiste erwarten. Sicherheitshalber planen wir unsere Etappen in Armenien immer mit einem mehrstündigen Zeitpuffer. Unser Highlight ist eine Demonstration, in der wir plötzlich auf einer Bundesstraße feststecken. Auf der Gegenfahrbahn blockiert eine Menschenkette den Verkehr. Kurzerhand weicht dieser also auf unsere Fahrspuren aus, bis auch hier der Verkehr unter lautem Hupkonzert komplett zum Erliegen kommt.
Alle Fahrten in Armenien führen uns jedoch an ganz wunderbare Orte, an denen wir nachts unser Camp aufschlagen können. Wir finden spannende Übernachtungsplätze wie eine alte Karavanserei, ein Teleskop aus Sowjet Zeiten oder einsame Bergwiesen.
Im Süden des Landes, reisen wir einige Tage entlang der iranischen und aserbaidschanischen Grenze, auch nahe der aktiv umkämpften Region Bergkarabach. Hier nehmen wir verständlicherweise eine deutlich höhere Militärpräsenz als im Rest des Landes war. Vom Militär angehalten oder kontrolliert werden wir allerdings kein einziges Mal. Wir können uns wie im Rest des Landes uneingeschränkt bewegen. Für uns hat sich die Fahrt tief in den Süden des Landes sehr gelohnt. Was für beeindruckende Landschaften und Begegnungen wären uns entgangen, wenn wir diesen Teil Armeniens nicht bereist hätten.
Für den Weg zurück in den Norden des Landes brauchen wir länger als geplant. Entlang des Weges gibt es immer wieder Spannendes zu entdecken. Auch treffen wir mittlerweile die wenigen Reisenden, die wie wir mit eigenen Fahrzeugen im Land unterwegs sind, auffällig oft wieder. Mal an der Tankstelle, mal bei einem Kloster oder in einem kleinen Tante Emma Laden. Wenn es sich ergibt und wir mögen, steuern wir gemeinsam einen Stellplatz für die Nacht an. Chris und Louise aus Großbritannien z.B. treffen wir ungeplant gleich 3 mal wieder. Sie reisen in einem alten MAN Truck und freuen sich über Gesellschaft. Louise hat sich auf einer Wanderung in Georgien den Knöchel gebrochen und sitzt nun im wahrsten Sinne des Wortes im Expeditionsmobil fest. Wir vernetzen sie kurzerhand mit einem unserer vielen neuen Kontakte in der Türkei. Wir hoffen sehr, dass der Arzt, den wir in Ostanatolien kennengelernt haben, Louise helfen kann, ihren Gips in der Türkei entfernen zu lassen.
Einer der schönsten Momente unserer Zeit in Armenien ist unser Wiedersehen mit dem Berg Ararat. Mit 5.137 Metern ist er der höchste Berg der Türkei. In Südostanatolien haben wir ihn vor einigen Wochen bestaunen können. Der mächtige Berg hat uns von der türkischen Seite aus bereits sehr fasziniert. Jetzt sehen wie ihn also von der armenischen Seite aus wieder. Der Berg Ararat ist das Nationalsymbol der Armenier. Es gibt nur ein Problem: Geographisch gesehen liegt er nicht im eigenen Land, sondern in der Türkei. Fragt man die Armenier, sehen sie dies natürlich anders. Der ruhender Vulkan grenzt nicht nur an die Türkei und Armenien, sondern auch an den Iran und die aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan. Wusstet Ihr, dass Noahs Arche nach der Sintflut hier gestrandet sein soll?
Jans Papa Christian war vor einigen Jahren mit seinem Motorrad entlang des Kaukasus unterwegs. Er hat viele schöne Bilder mit nach Hause gebracht und schwärmt bis heute von seinem Besuch des Klosters Chor Wirap in der Nähe der türkisch armenischen Grenze. Das Kloster ist wahrlich ein ganz besonderer Ort. Leider auch die Nacht, die wir auf dem Klosterparkplatz verbringen. Bis kurz nach 4 halten uns Jugendliche, die sich auf dem Parkplatz treffen und laut Musik hören wach. Unser Schlaf, in den wir irgendwann total genervt fallen, hält nicht lange an. Um kurz nach 6 kreist über unserem Auto eine Drohne (einer chinesichen Reisegruppe), die uns unsanft aus der viel zu kurzen Nacht reißt. Zum Glück sind Nächte wie diese die absolute Ausnahme. Im Regelfall schlafen wir in absoluter Ruhe und sehr gut.
Die schlechte Nacht in unseren Knochen, eine Ladung gebrauchter Wäsche im Fahrzeug und mal wieder schlechtes Wetter in Aussicht steuern wir ein Bed & Breakfast an, was auch Stellplätze für autarke Fahrzeuge wie uns anbietet. Der von einem sympathischen holländischen Paar geführte Ort ist ein wahrer Glücksgriff: eine Oase auf deutschem Reinlichkeits-Niveau und ein Treffpunkt für Traveller aus der ganzen Welt. Gemeinsam mit Overlandern aus Südafrika, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Deutschland verbringen wir spannende Tage. Wir bleiben viel länger als eigentlich geplant. Alle Reisenden, die hier eintreffen, haben mit Fahrzeugen wie unserem oder Motorrädern eine weite Reise hinter oder noch vor sich und aufregende Geschichten im Gepäck. Vor allem aber, hat jeder hier seine ganz eigene Motivation. Besonders berührt uns die Geschichte von Bruno und Rosi aus Deutschland. Die beiden sind auf dem Weg in die Mongolei. Viel früher als geplant soll sich Brunos Lebenstraum, sein Fahrzeug bis dorthin zu fahren, erfüllen. Bruno ist unheilbar krank. Um Bruno eine realistische Chance zu geben, sich diesen Traum noch zu erfüllen, musste die Reise vorgezogen werden. Mit Bruno und Rosi sind wir immer wieder in Kontakt. Wir bewundern sehr, mit welch positiver Energie und Dankbarkeit die beiden diese Reise angehen. Sie kommen gut voran. Heute haben wir liebe Grüße von ihnen aus Kasachstan erhalten.
Die Hauptstadt Armeniens, Yerevan, gefällt uns richtig gut. Im Vergleich zur georgischen Hauptstadt atmen wir hier deutlich bessere Luft. Yerewan ist überraschend überschaubar und grün. Auf den Straßen sehen wir viele junge Menschen und Frauen. Überall herrscht eine friedliche und entspannte Atmosphäre. Immer wieder finden wir Plätze, die zum Verweilen einladen. Wir laufen sage und schreibe 18km durch die Stadt. Das merken wir allerdings erst, als wir zurück an unserem Fahrzeug sind und feststellen, welche Strecke wir zurückgelegt haben. Zur Feier des Tages essen wir etwas, was wir schon ganz lange nicht mehr hatten: einen Burger! Jan schafft sogar zwei. Greta freut sich über eine vegetarische Variante mit Grillgemüse.
Die armenischen Kupferstiche, nach denen wir für Gretas Onkel in der Hauptstadt Ausschau halten, finden wir leider nicht. Über Umwege haben diese den Weg von Hamburg nach Yerewan gefunden. Albert vermachte vor einigen Jahren seinen Flohmarktfund (2 Kupferstiche) einem ehemaligen Patienten mit armenischen Wurzeln. Wenig später erfährt er, dass genau diese 2 Kupferstiche die fehlenden Teile einer ganzen Serie sind, die seine armenische Familie bereits jahrelang weltweit gesucht hat. Was für ein Zufall! Auch, wenn wir die Kupferstiche in Yerewan nicht persönlich anschauen können, die Geschichte ist einfach zu schön, um nicht erzählt zu werden.
Auch im Großraum Yerewans gibt es viel für uns zu entdecken. Allerdings sind wir hier, anders als im Süden des Landes, selten alleine. Die meisten Touristen fliegen nach Yerewan und machen von dort aus Tagesausflüge in die nähere Umgebung.
Unser Abschied aus Armenien ist herzlich und unkompliziert. So haben wir Land und Leute erlebt. Die armenischen Grenzbeamten sind unglaublich hilfsbereit. An der Grenze müssen Jan und ich uns trennen. Jan fährt das Fahrzeug über die Grenze, ich reise als Fußgänger ein. Persönlich werde ich von einem armenischen Beamten durch den kompletten Ausreise-Prozess begleitet und sicher auf der georgischen Seite übergeben. In Georgien empfängt mich ein mürrischer Grenzbeamter der minutenlang in meinem Pass blättert um ihn im Anschluss gelangweilt zu stempeln. Willkommen zurück in Georgien. Im Regen muss ich vor (!) der überdachten Grenzstation, in der Jan und das Fahrzeug gerade abgefertigt werden, warten. Das Dachzelt muss geöffnet werden, die Dachbox ebenfalls, dann noch sämtliche Schränke und Fächer im Innenraum. Davon haben wir eine ganze Menge. Helfen, darf ich Jan trotzt mehrmaliger Nachfrage nicht. Ein Grenzbeamter gibt mir klar zu verstehen, dass ich mich dem Fahrzeug nicht nähern soll. Ich warte also im Regen, bis unsere Fahrzeugvorführung beendet ist und mich ein sichtlich genervter Jan wieder abholt. So interessiert waren bis jetzt noch keine Grenzbeamten an unserem Fahrzeug.
Da es in Georgien nicht nur nass, sondern in den Bergregionen auch noch sehr kalt ist, können wir zu dieser Jahreszeit Orte, die wir gerne besucht hätten, nicht ansteuern. So muss der berühmte Albano Pass im Osten des Landes noch auf uns warten, genauso wie die Bergdörfer Mestia und Ushguli im Nordwesten. Allein für den Vashlovani Nationalpark müssen wir wiederkommen. Wir beschränken unsere Route auf tiefer gelegene Orte, deren Straßen aktuell nicht durch Schnee und Eis versperrt sind.
Sowjetcharme finden wir aber auch in tieferen Lagen ohne lange Suche. Im Großraum der Stadt Kutaissi beispielsweise entdecken wir Orte, an denen die Zeit schier stehen geblieben zu sein scheint.
Und dann war da ja noch der Auftrag der Mercedes Niederlassung in Tiflis, unser 10W40 Motoröl selbst zu beschaffen. Um nicht unnötig lange unseren begrenzten Platz im Fahrzeug mit Motoröl zu teilen, haben wir dies bis jetzt herausgezögert. Durch Zufall entdecken wir eine überraschend moderne und top ausgestattete Werkstatt. Da wir eine Werkstatt dieser Qualität lange nicht mehr gesehen haben, entschließen wir uns spontan für einen Service.
Im Nu steht unser Fahrzeug auf der Bühne, der Standortleiter kümmert sich persönlich um uns und spricht sogar einige Worte Englisch. Wir checken alle Flüssigkeiten, wechseln das Motoröl, tauschen den Ölfilter, reinigen den Luftfilter, überprüfen die Kühlflüssigkeit, unsere Batteriekapazität, die Zündkerzen, die Bremsen und noch vieles mehr. Eine ganz schön umfangreiche Liste … aber wenn wir schon einmal in guten Händen sind, möchten wir das ausnutzen. Gute 2 Stunden ist ein ganzes Team von Mechanikern mit uns und unserem Fahrzeug beschäftigt. Kostenpunkt: sage und schreibe 30 Euro!
Das Lager der Werkstatt ist zudem exzellent bestückt: wir kaufen noch einen Satz Zündkerzen, neue Scheibenwischer, einen Öl- und Luftfilter. Mit unserem spontanen Einkauf sammeln wir so viele Bonuspunkte, dass wir gleich einen weiteren Satz Zündkerzen geschenkt bekommen. Georgien ist uns an diesem Tag extrem sympathisch. Aus irgendeinem Grund sehen wir es heute ganz gelassen, dass außerhalb der Werkstatt wieder einmal (wettertechnisch) die Welt untergeht.
Später an diesem erfolgreichen Tag treffen wir noch Maybrit und Niklas aus Deutschland wieder. Die beiden reisen mit ihrem alten Mercedes LKW 710 um die Welt. Vor einigen Wochen haben wir uns zufällig kennengelernt und uns auf Anhieb gut verstanden. Maybrit und Niklas waren für ein paar Tage in Deutschland und hatten auf dem Rückflug einen extra Koffer im Gepäck. Hilfsbereit, wie die beiden sind, fragen sie uns, ob wir nicht etwas aus Deutschland benötigen. Wir entscheiden uns unter anderem für frische Zahnbürstenköpfe für unsere elektrische Zahnbürste und unsere Lieblingszahnpasta. Passende Zahnbürstenköpfe haben wir im Westen der Türkei das letzte Mal gesehen, unsere Lieblingszahnpasta in Deutschland. Große Freude also, als die beiden uns die Mitbringsel aus Deutschland überreichen!
Niklas ist KFZ Meister und inspiziert natürlich interessiert unser Fahrzeug. Wir dürfen nicht fahren, bevor er unsere Gelenke abgeschmiert hat. Schon vor dem Frühstück liegt er im Blaumann unter unserem Auto. Vielen lieben Dank auch dafür. Es war sicherlich nicht das letzte Mal, dass sich unsere Wege auf unseren Reisen gekreuzt haben.
Für uns geht es nun nach Tiflis. Unsere Ersatzteile sind eingetroffen. Wir lassen unser Fahrzeug auf dem georgischen Weingut, von dem wir Euch berichtet haben, stehen und nehmen das Angebot des jungen Winzers an, mit ihm gemeinsam in die Stadt zu fahren. Wir schwitzen ganz schön, da wir diesmal nicht aktiver Teilnehmer im chaotischen Straßenverkehr sind, sondern in einem georgischen Fahrzeug sitzen! Nicht nur ein Geschwindigkeitsrausch, sondern auch eine wahrlich authentische Erfahrung – um es diplomatisch auszudrücken. Nach der Fahrt sind wir in etwa so nass (geschwitzt) wie unsere Wäsche, die wir netterweise im Apartment der Familie in Tiblis waschen durften. Notiz an uns selbst für zukünftige Fahrten mit Einheimischen: vielleicht fahren wir doch einfach selbst …
Greta // 26. Mai 2023 // Auf einem georgischen Weingut in flauschiger Gesellschaft
Hallo Ihr beiden, ich verfolge Eure Geschichte bereits von Anfang an, nachdem ein Artikel über Euch in der Rheinpfalz erschienen war. Ich freue mich über jedes Update, aber dieser Bericht hier hat alle bisherigen getoppt. Vielen herzlichen Dank dafür und eine tolle und sichere Weiterreise!!! Viele Grüße von Jürgen aus der Südpfalz.
Vielen Dank für den schönen Bericht. Und natürlich ist er auch dieses Mal garniert mit vielen tollen Bildern. Da kommen eine ganze Menge Erinnerungen hoch, wenn gleich eure Reise natürlich viel intensiver ist als meine Begegnu damals mit Armenien und Georgien. Liebe Grüße aus Prag, S B
Brasov und gute Reise
by the Wayne: die Korrekturfunktion im Kommentar funktioniert nicht überall. Siehe oben
Wow, ich bin geflasht von euren Reiseerlebnissen!! So tolle Bilder und Beschreibungen und spannende Begenungen. Lässt mich ganz "immersiv" daran teilnehmen. Danke und noch gute Fahrt weiterhin
herzliche Grüße
Jürgen aus HD